Wei Jingsheng
... wurde 1950 in Peking geboren, sein Vater war ein hochrangiger Militär und Parteifunktionär. 1966 während der "Kulturrevolution" schloss sich Wei den Roten Garden an und stieg rasch zu einem Mitglied des Pekinger Führungskomitees auf. Während der folgenden politischen Säuberungen wurde er zur Arbeit ins Heimatdorf seines Vaters geschickt, dort erlebte er die Folgen der Großen Hungersnot Anfang der 1960er-Jahre und entwickelte erste Zweifel an den Lehren und politischen Praktiken Mao Zedongs. 1969 bis 1973 diente Wei in der Armee, danach erhielt er eine Stelle als Elektriker im Pekinger Zoo.
1978 stieg er rasch zu einem prominenten Aktivisten der Demokratiebewegung auf, am 5. Dezember schrieb er seine berühmte Wandzeitung "Die Fünfte Modernisierung", in der er neben wirtschaftlichen Reformen auch Demokratie und Freiheiten als Voraussetzung für die von der Regierung propagierten "Vier Modernisierungen" (in Industrie, Landwirtschaft, Militär und Wissenschaft) einforderte. Kurz danach gründete Wei Jingsheng zusammen mit Yang Guang und Lu Lin die unabhängige Zeitschrift "Erkundungen" ("Tansuo").
Am 25. März 1979 plakatierte Wei eine weitere Wandzeitung mit dem Titel "Demokratie oder eine neue Despotie", in der er Deng Xiaoping persönlich vorwarf, ebenso ein Diktator zu sein wie Mao. Zwei Tage später wurde Wei Jingsheng festgenommen, im Oktober des gleichen Jahres, wegen seiner Publikationen und weil er angeblich Militärgeheimnisse an ausländische Journalisten verraten hatte, zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Liu Qing und andere Mitarbeiter des "Forum 5. April" veröffentlichten kurz darauf die im Gerichtssaal heimlich aufgenommene Verteidigungsrede von Wei Jingsheng, was auch für Liu eine mehrjährige Haft zur Folge hatte.
1993 wurde Wei im Zuge der Bewerbung Pekings für die Olympischen Spiele zunächst freigelassen, im Jahr danach aber erneut festgenommen und wegen "Umsturzversuches" zu 14 Jahren Haft verurteilt. 1996, noch in Haft, wurde Wei mit dem europäischen Sacharow-Preis für Menschenrechte ausgezeichnet. 1997, im Vorfeld eines geplanten China-Besuches von US-Präsident Bill Clinton, durfte er schließlich in die Vereinigten Staaten ausreisen. In den USA engagierte sich Wei Jingsheng weiter für Menschenrechte und Bürgerfreiheiten in China, heute lebt er in einem Vorort von Washington D.C.
Interview mit Wei Jingsheng (am 9. Juni 2014 in seinem Büro/Haus in Fairmount Heights, Maryland, USA)
Hier finden Sie den chinesischen Text des Interviews (Übersetzung folgt).